Quellen des Yoga – Eine kleine Einführung
Zu allen Zeiten haben Menschen nach einer Rückverbindung zu den geistigen Welten gesucht. Yoga, als der vermutlich älteste überlieferte Weg zur Selbstverwirklichung hat seine Wurzeln in der alten indischen Kultur, deren früheste Zeugnisse mehr als 9000 Jahre zurückreichen. Natürlich dürfen wir das, was wir heute als Yoga kennen, nicht mit dem vergleichen, was damals unter diesem Begriff verstanden wurde. Die heute hauptsächlich zur Steigerung der körperlichen Fitness bekannt gewordenen Übungen des Hatha-Yoga sind vermutlich erst etwa in der Zeit des Mittelalters entstanden.
Die Bhagavad Gita – Der „Gesang des Erhabenen“
Eine der wichtigsten Quellen des Yoga ist die Bhagavad-Gita, der „Gesang des Erhabenen“, die hauptsächlich ein Lehrgespräch zwischen dem Lehrer und Avatar Krishna und seinem Schüler Arjuna darstellt. In dieser epischen Erzählung, die seit Jahrtausenden ihre Leser begeistert, finden wir Antworten auf grundlegende Fragen der religiösen Verwirklichung: Soll ich mich als religiös Suchender von Leben und Daseinskampf zurückziehen? Gibt es eine Möglichkeit handelnd und wirkend im Leben zu stehen und trotzdem Spiritualität zu leben? Krishna lehrt im Laufe dieses Zwiegesprächs, das inmitten einer kriegerischen Auseinandersetzung stattfindet, das „Handeln im Nichthandeln“. Er zeigt auf, wie ein Handeln in der Welt stattfinden kann und der Handelnde sich trotzdem nicht an seine Handlungen bindet. Tiefste philosophische Fragen werden angesprochen und in einer bemerkenswerten Schlichtheit und zeitlosen Klarheit beantwortet. Ihren Gipfelpunkt erreicht die „Gita“ in der Offenbarung des „Höchsten Geheimnisses“, das in der unmittelbaren Hingabe an Gott besteht. Arjuna erlebt eine Schau des göttlichen Wesens in all seinen Aspekten, die sehr viel später auch Herrmann Hesse inspirieren sollte.
Yoga im Westen
Erste Aufmerksamkeit erregte Yoga als geistige Disziplin im Westen gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Verbindung mit der „Theosophischen Gesellschaft“, die vieles aus dem Gedankengut des Yoga in ihre Lehren aufgenommen hatte. Hier lag jedoch das Augenmerk auf den mit Yoga verbundenen geistigen Übungen und Meditationsformen.
In Amerika erlangte Yoga eine erste Verbreitung durch Swami Vivekananda, einen Schüler des berühmten Ramakrishna. Er hielt eine vielbeachtete Rede vor dem Weltparlament der Religionen und reiste danach über Jahre hinweg lehrend und vortragend durch die Vereinigten Staaten. Er lehrte vor allem Vedanta, das er als die Essenz des geistigen Yoga bezeichnete. Sein feuriges Wesen begeisterte viele Menschen von der Philosophie und der Weisheit des Yoga. Körperübungen wurden von ihm aber nicht unterrichtet.
Erst Anfang/Mitte des 20. Jhdt entstanden in verschiedenen Ländern erste Yogaschulen, die auch Hatha-Yoga-Übungen unterrichteten. Die Gründer waren vornehmlich Reisende und Abenteurer, die bei einem indischen Meister gelernt hatten und nun ihre Kenntnisse auch im Westen weitergeben wollten. Bis in die sechziger Jahre hinein blieben aber auch diese Yogaschulen mehr exotische Randerscheinungen der Kultur.
Yoga wird populär
Alles dies änderte sich vor allem in den siebziger und achtziger Jahren, als in einer Form des ost-westlichen Kulturaustausches viele junge Menschen nach Indien reisten, um Yoga zu erlernen oder einen Meister zu finden. Umgekehrt gründeten Lehrer wie Vishnu Devananda, ein Schüler von Swami Sivananda, hunderte von Zentren in allen Teilen der Welt. Yoga wurde zum ersten Mal populär, und viele Schulen begannen auch im Westen Ausbildungen zum Yogalehrer anzubieten.
Während Hatha-Yoga immer mehr wegen seiner gesundheitlichen Wirkungen geschätzt wurde und Einzug in die Bildungsprogramme der Volkshochschulen hielt, wurden auch die geistigen Lehren des Yoga im Zuge der New-Age Bewegung immer bekannter und ein wachsender Buchmarkt eröffnete dem Leser die Welt der Veden, oder des Vedanta.
Die bekanntesten westlichen Schulen haben ihre Wurzeln vor allem bei Sri Krishnamacharya, der ein System des Hatha-Yoga entwickelte, das vor allem von BKS Iyengar (Iyengar-Yoga), Sri Pattabhi Jois (Ashtanga-Yoga oder Power-Yoga) und Sri Desikachar (Vini-Yoga) jeweils sehr persönlich weiterentwickelt wurde. Daneben steht die Tradition von Swami Sivananda (Sivananda-Yoga), die vor allem von dem bereits erwähnten Vishnu Devananda verbreitet worden ist. Sri Aurobindo, einer der größten Lehrer des Yoga in Indien, entwickelte den integralen Yoga als eine Synthese aller bisherigen Yogaformen.
Yoga heute
Die Übertragung des Yoga in den Westen, wo ein völlig anderer kultureller Kontext bestand, brachte natürlich auch Yogaformen hervor, die mit den klassischen indischen Zielen der Selbstverwirklichung und Veredelung des Charakters nicht mehr viel gemein hatten und den jugendlich-schönen Körper als Ziel aller Bemühungen in den Mittelpunkt stellten. Die indischen Yogis, welche Yoga im Westen verbreiten wollten, sahen aber im Yoga vor allem die Chance einer „Spiritualisierung“ des Westens und seiner Kultur, die sie als zu materialistisch einstuften. Da aber die Entwicklung spiritueller Erkenntnis in unserer religiösen Kultur kaum vorkam, sondern der Mensch als unmündig vor Gott galt, wurde vielfach die energetisierende Wirkung der Yogaübungen und Atemtechniken mit spiritueller Erkenntnis verwechselt und mehr oder weniger konsumiert. So entstand das Problem, dass sich materialistische Konsumhaltung mit einer Art „spirituellem Angebot“ mischte und zu einer Art alternativen Lebensform wurde.
Diesem Pendelschlag zwischen körperlicher Belebung und seelisch-geistiger Erfahrungssuche könnte heute die praktische Frage nach der Entwicklung und Stärkung der menschlichen Seele begegnet werden. Vor allem Rudolf Steiner hat die Gliederung der Seelenkräfte – das Denken, Fühlen und Wollen – sehr differenziert herausgearbeitet. Er wies darauf hin, dass es für eine gesunde spirituelle Entwicklung wichtig sei, dass die Seelenkräfte nicht in Unordnung geraten. Daraus ergeben sich Fragen, wie Denken, Fühlen und Wollen auch in der Yogapraxis in der richtigen Weise beteiligt sind: Wie zeigt sich das Denken in seiner schöpferischen Fähigkeit? Wie könnte Yoga ein künstlerisch belebendes, empathisches Fühlen stärken? Und wie kann der Wille, der ja in der körperlichen Bewegung zum Ausdruck kommt, in seiner gesunden Handlungsfähigkeit gestärkt werden? Hier bieten die Yogaübungen ein großes Potential, mit denen sich der Mensch selbst besser kennen lernen und ordnen könnte.
Die Körperübungen können allerdings nicht – wie man im Westen oft meint – wie ein Medikament zur Spiritualität verhelfen, da sie eben im Körper ansetzen. Wichtig zu bemerken wäre, dass die Körperübungen nur eine von verschiedenen „Disziplinen“ auf dem geistigen Entwicklungsweg waren. Die eigentliche Arbeit am Charakter in Verbindung mit den kosmisch-geistigen Gesetzen, in denen ja auch der Mensch eingebunden ist, würde eine umfassendere Auseinandersetzung benötigen.
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